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Die Präsidentin des Europäischen Parlaments
EN  FR Rede
Strassburg, am 22. Juni 2001
 
Appell von Strassburg, 22. Juni 2001
 

Wir, Präsidenten der nationalen und internationalen Parlamente, Unterzeichner dieses Appells,

sind überzeugt, dass die Todesstrafe das grundlegendste Menschenrecht, nämlich das Recht auf Leben, verletzt, das in den regionalen und internationalen Vertragswerken zum Schutz der Menschenrechte verankert ist,

weil ihre Anwendung nicht rückgängig zu machen ist;

weil kein System der Strafjustiz die Gefahr einer Verurteilung von Unschuldigen ausschließen kann;

weil ihre Anwendung häufig diskriminierend ist;

weil keineswegs feststeht, dass diese Strafe abschreckender ist als andere;

sind der Auffassung, dass die Todesstrafe eine unangemessene Strafe darstellt, zumal es Mittel zur Bekämpfung der Schwerkriminalität gibt, bei denen die Menschenrechte geachtet werden.

Wir unterstützen die umfassende Bewegung zur Abschaffung dieser Strafe, die erreicht hat, dass es sie in mehr als der Hälfte der Staaten dieser Welt nicht mehr gibt.

In diesem Kampf hat Europa größte Entschlossenheit bewiesen. Der Europarat und die Europäische Union haben Aktionen durchgeführt und maßgebliche Rechtsinstrumente angenommen, darunter insbesondere:
  • das Protokoll Nr. 6 zur Europäischen Menschenrechtskonvention, das die Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten vorsieht,

  • den Appell zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe, der in der Schlusserklärung des zweiten Gipfels der Staats- und Regierungschefs des Europarates vom Oktober 1997 enthalten ist;

  • die am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die bekräftigt, dass niemand zum Tode verurteilt oder hingerichtet werden darf;

  • die im Juni 1998 vom Ministerrat angenommenen „Leitlinien für eine Politik der Europäischen Union gegenüber Drittländern bezüglich der Todesstrafe", die auf die weltweite und bedingungslose Abschaffung der Todesstrafe abzielen.
Wir begrüßen, dass sich auf weltweiter Ebene ein politischer Konsens zugunsten der Abschaffung der Todesstrafe abzeichnet und ausbreitet, was u.a. deutlich wird durch:
  • das Zweite fakultative Protokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, das auf die Abschaffung der Todesstrafe abzielt,

  • die jüngsten Entschließungen der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen von 2001, in denen u.a. die die Todesstrafe anwendenden Staaten aufgefordert werden, die Zahl der [Verbrechen], auf die die Todesstrafe steht, zu verringern und ein Moratorium für die Hinrichtungen zu erlassen.
Aus all diesen Gründen und in Erwägung der Rolle und der Verantwortung, die den nationalen Parlamenten und Regierungen im Prozess der Abschaffung der Todesstrafe zukommt,

in der Überzeugung, dass die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einen wesentlichen Beitrag zur Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte darstellt,

appellieren wir an alle Staaten, unverzüglich und überall auf der Welt ein Moratorium für Hinrichtungen von zum Tode verurteilten Menschen zu erlassen und Initiativen zu ergreifen, die darauf abzielen, die Todesstrafe in ihrem innerstaatlichen Recht abzuschaffen.

 
© European ParliamentResponsible Website : Hélène Lanvert